Der Anblick unseres Gehöfts, der uns bei unserer Ankunft bot, ließ uns erschüttern. Wohnhaus, Stallung und Schuppen waren abgebrannt. An der Straßenseite war die Mauer des Wohnhauses bis auf den Sockel weggeschossen. Im Erdgeschoss und Obergeschoss hingen die Öfen an der Mittelwand. Der Giebel an der -nordost Seite war abgebrochen. Die Decke war bei 2 Kellern durchgebrochen. Rings um Wohnhaus und Stallung verliefen Schützengräben. In eine Wand im Keller wurde ein Loch gestemmt und es führte ein Schützengraben direkt in den Keller.
Hinter dem Gemüsegarten war ein Unterstand. Vom Holzzaun waren nur noch 2 Felder vorhanden. Der Maschendraht war an vielen Stellen zerschnitten. Vor dem Wohnhaus lagen die Zaunsäulen mit Sockel im Schützengraben. Uns war bewusst, dass wir hier die nächste Zeit nicht wohnen können. Wir fuhren dann weiter zum 250 Meter entfernten Gehöft meiner Großeltern.
Bei einem Blick auf den Berghang sah man, dass von der Aussicht aus auf einer Breite von 150Meter kein einziger Baum mehr stand. Sie wurden alle von der russischen Artillerie zerschossen. Von weiten sahen wir dann, dass auch die Gebäude meiner Großeltern alle niedergebrannt waren. Nur der Schuppen, welcher nur wenige Meter von den Gebäuden entfernt war, ist wie durch ein Wunder nicht abgebrannt.
Meine Großeltern und Mroskes sind wieder heil mit ihren Kuhgespannen in Pusack angekommen. Da die Wirtschaft meiner Großeltern abgebrannt war, blieben wir bei Mroskes. Kurz nachdem sie im Pusack waren, kamen die Russen aus Groß Särchen über die am 16.4.1945 gebaute Holzbrücke und nahmen ihnen zwei Kühe weg.
Nachdem wir nun wieder am 3.Mai alle zusammen waren, räumten wir das Gehöft meiner Großmutter auf. Den stehengebliebenen Holzschuppen, welcher die Werkstatt meines Onkels war, richteten wir als Schlafzimmer ein. Für meinen Großvater bekamen wir ein Sofa, wir anderen schliefen, wie während der Flucht auf dem Fußboden, auf dem wir Decken ausgebreitet hatten. So schliefen wir 6 Erwachsene und 3 Kinder in dem Holzschuppen. Die Küche und auch die Futterküche hatte massive Decken und waren nicht defekt, so konnten wir uns tagsüber darin aufhalten. Bei Regen tropfte es aber durch die Decke.
Da wir im Krieg das Hab und Gut, welches wir zurücklassen mussten, verloren hatten, suchten wir die Bunker in der Umgebung nach brauchbaren Gegenständen ab. Wir fanden dort Tische, Stühle, Bänke, Doppelstockbetten und sogar einen Regulator. Erfreut waren wir über die vielen Bunkerlichter (Kerzen), die wir fanden. So konnten wir abends die Räume etwas beleuchten. Überall lagen Karabiner- und M.G. Munition Kistenweise herum. Aber eine Leuchtpistole hat es mir angetan, diese sowie einige Leuchtpatronen nahm ich mit. Um die Leuchtpistole auszuprobieren, ging ich mit meinem Freund eines Tages zum Weg am Grenzerquell. Ich schoss eine Leuchtkugel ab. Da ich aber die Pistole nur locker in der Hand hielt, flog mir diese durch den Rückschlag an den Kopf. Die Leuchtkugel fiel dann noch brennend auf die Erde und das Laub fing an zu brennen. Schnell mussten wir löschen, um einen größeren Brand zu verhindern. Im Wald fand ich auch zwei Fahrräder. Diese versteckte ich im Schützengraben, welcher im Kornfeld hinter dem Gehöft war. In den Bunkern lag auch sehr viel Kommissbrot, welches wir sammelten und uns längere Zeit damit versorgten. Das leicht Angeschimmelte kochten wir auf, zu einer Brotsuppe. Das Gute schnitten wir in Scheiben und rösteten es, wir sagten dazu „Bänschnitten“. Für die weitere Versorgung hatten wir eine noch vorgefundene Kartoffelmiete. Als Gemüse dienten Brennnesseln, die wir für Suppe oder Spinat verwendeten. Da in Pusack noch zwei Kühe vorhanden waren, konnte Acker gepflügt und Kartoffeln gesteckt werden. Auch Mohrrüben wurden gesät.
Aber bei Nacht und Nebel kamen die Polen, stiegen durch das Fenster in den Kuhstall ein, öffneten die Tür von innen und stahlen eine Kuh. Eines Tages stand ich mit meiner Schwester und dem Nachbarn vorm Nachbarhaus,
da kam ein LKW mit russischen Soldaten die Straße herunter und direkt auf uns zu.
Wir bekamen Angst, liefen weg und versteckten uns.
Aber die Soldaten hatten uns bereits gesehen. Das Auto hielt an, die Soldaten sprangen herunter und schwärmten aus. Sie fanden uns im Kornfeld und untersuchten uns nach Waffen. Ein Offizier konnte deutsch und fragte uns, warum wir weggelaufen sind. Wir sagten, dass wir Angst hatten und sie gaben sich damit zufrieden. Natürlich fanden sie auch die zwei Fahrräder, welche sie dann auch mitnahmen.
Auf der Flucht hatten wir in Bollschwitz, bevor die Russen kamen, noch Sachen vergraben. Deshalb fuhr ich am 20.6. mit meiner Mutter mit dem Handwagen nach Bollschwitz, um die vergrabenen Sachen zu holen. Wir blieben einen Tag und fuhren am 22.6. am Tag des Geburtstages meine Mutter wieder nach Hause.
Auf der Straße zwischen Cottbus und Döbern begegneten uns viele Leute mit Hand- und Kinderwagen und Fahrrädern. Sie erzählten uns, dass sie von den Polen vertrieben worden sind.
Wir bekamen nun Angst und legten die restliche Strecke fast im Dauerlauf zurück.
Als wir zu Hause ankamen, fanden wir eine große Menschenmenge vor.
Es waren Verwandte und Bekannte meiner Großeltern. Da sie aber sahen, dass sie nicht bei uns bleiben konnten, zogen sie nach einigen Tagen weiter.
Auch wir wurden von den Polen immer wieder bestohlen. Sie kamen auf dem Steg neben unserem Nachbarn über die Neiße. In der Nacht holten sie die letzte Kuh meiner Großmutter weg. Eines Tages durchsuchten sie unser Gehöft und nahmen das Fahrrad meiner Tante und den Regulator mit und dann jagten sie uns vom Gehöft. Meine Großeltern zogen in einen Bunker im Wald am Dubrauker Weg und wir fuhren mit meiner Tante zu ihrer Schwester nach Groß Kölzig. Nach ein paar Tagen beruhigte sich die Lage wieder und wir kehrten, mit der Mutter und den Großeltern zurück aufs Gehöft. Meine Tante blieb mit ihren Söhnen in Groß Kölzig.
Inzwischen kam die Roggenernte heran. Ein alleinstehender alter Bauer aus Groß Särchen, der in Pusack geblieben war, half uns dabei. Nachdem wir auf zwei anderen Flächen das Getreide abgehauen hatten, begannen wir den Fleck zwischen unserem zerstörten Haus und der Neiße zu hauen.
Da die Getreidehalme eine Schieflage hatten, hauten wir diagonal zur Straße.
Da bemerkte ich verdächtige rechteckige Stellen im Kornfeld. Vorsichtig beseitigte ich die Erde und entdeckte eine Mine. Es waren zwei kleine Sperrholzkästchen, deren Deckel mit einem Scharnier mit dem Unterkasten verbunden war. Diese drückte beim herauf treten einen Stift heraus und brachte die Mine so zur Explosion. Ich grub ca. 15 Minen aus und entschärfte sie, indem ich den Zünder entfernte. Gewisse Grundkenntnisse hatte man uns ja schon beim Jungvolk gezeigt. Wir hatten aber sehr großes Glück, dass niemand auf eine Mine trat. Wir merkten nun, dass wir auf einem Minenfeld waren und hörten auf, das Getreide zu hauen. Ende Juli kam ein Trupp gefangener deutscher Soldaten unter russischer Bewachung, welche das Gelände nach Minen absuchten und sprengten. Darunter erkannte ich auch Soldaten, die ich in der zweiten Märzhälfte kennengelernt hatte. Es wurden auch, der von der deutschen Wehrmacht am Berghang zurückgelassene Stapel 8,8 Granaten, gesprengt.
Diese Granaten waren mit Pulverstangen gefüllt, welche dann teilweise überall herumlagen. Wir sammelten diese auf und ließen sie wie Raketen in die Luft steigen, indem wir ein Ende anzündeten und gegen die Erde drückten. Von den nicht abgeschossenen Granaten der Granatwerfer, die noch im Wald herumlagen, entfernten wir die angebrachten Zusatzladungen. Es waren in Stoff eingefasste Pulverblättchen, welche wir dann einzeln zum Feuer machen nahmen.
Als das Getreide, welches wir nach dem Hauen in Puppen aufgestellt hatten, ausgetrocknet war, holten wir es zum Dreschen. Da aber kein Zugtier mehr vorhanden war, mussten wir den Kuhwagen selber ziehen und schieben.
Weil die Dreschmaschine verbrannt war und es auch keinen elektrischen Strom gab, mussten wir wie unsere Vorfahren das Getreide von Hand mit dem Dreschflegel dreschen.
Gesäubert wurden die Körner mit der handbetriebenen Wurfmaschine des Nachbarn Schendo, dessen Gehöft unversehrt geblieben ist.